Eine Frage, die uns während Facebook Einführungskurse für Eltern immer wieder gestellt wird ist, „Was genau macht Facebook für Jugendliche so spannend?“. Und nach neusten Statistiken könnte man die Frage mit „warum hat sich dies in den letzten Monaten geändert?“ ergänzen. Über die zweite Frage gibt es bereits ausführliche Zeitungsberichte zu einigen Theorien (zB. 20 Minuten online vom 4. Juli 2012 http://bit.ly/Rexl4M). Wir sehen den Hauptgrund darin, dass immer mehr Erwachsene und teilweise sogar ihre Eltern Facebook nutzen.

Die erste Frage ist viel spannender, den Facebook bietet den Jugendliche vieles, dass in der Lebensphase 14 – 17 Jahren für sie wichtig ist!

Vernetzt sein
Facebook, resp. soziale Netzwerk Seiten generell, befriedigen in gewisser Weise eines der tiefsten menschlichen Bedürfnisse: Nämlich das Bedürfnis, mit anderen Menschen verbunden, vernetzt zu sein.

Kontakt zu Freunden
Nebst der Möglichkeit, alte Bekannte über Facebook wieder zu finden oder mit ehemaligen Schulkolleg/innen in Kontakt zu bleiben, kann ich über die verschiedenen Facebook-Funktionen jederzeit mit meinen Freunden in Kontakt sein. Zum Beispiel über den Chat, indem ich eine Nachricht verschicke oder indem ich einen Kommentar poste.

Meist wird auf Facebook dort weiterdiskutiert, wo man in der Schule aufgehört hat. D.h. Facebook bietet eine Möglichkeit, Geschehnisse aus der realen Welt auf einer virtuellen Basis weiter zu diskutieren. Facebook braucht also sozusagen eine reale Welt, die man virtuell besprechen kann.

Immer auf dem Laufenden
Auf Facebook kann ich schauen, wer gerne welche Musik hört, wer welche Schuhmarke toll findet und wer wann an welches Konzert geht. Kurz: ich kann schauen, wer welche Interessen hat und was gerade in ist. Ausserdem sehe ich, wer mit wem eine Beziehung hat oder zwischen wem gerade ein Streit im Gange ist. So spielen sich ganz viele emotionale Dinge auf Facebook ab. Z.B. wenn dafür in der Schule keine Zeit mehr geblieben ist. Dieser Punkt trägt ein gewisses Suchtpotenzial mit sich und kann in Kombination mit einigen anderen ungünstigen Faktoren im schlimmsten Fall zu einem Suchtverhalten führen.

Zugehörigkeit und Integration zu Gleichaltrigen (Entwicklungsaufgabe)
Auf Facebook kann ich mir einen ganzen „Freundeskreis“ (Der Begriff „Freund“ wird im Zusammenhang mit Facebook als Pauschalbegriff für alle, die ein Facebook Nutzer als dies akzeptiert, verwendet. So hat ein durchschnittlicher Facebook Nutzer in der Schweiz ca. 150 Freunde. Bei den Jugendlichen beobachten wir, dass sie die meisten Facebook Freunde persönlich kennen.) aufbauen, mit dem ich vernetzt bin. Ich gehöre sozusagen zu einer Gruppe, zu Facebook. Diese Aufgabe, Beziehungen zu Gleichaltrigen aufzubauen, ist eine zentrale Entwicklungsaufgabe im Jugendalter. Dank meinem Facebook-Profil kann ich mich auch an den ausserschulischen Gesprächen beteiligen, bin auf dem Laufenden, was gerade so abgeht und fühle mich integriert.

Neben einem Freundeskreis ist es auch möglich, mit mehreren Personen eine Gruppe auf Facebook zu gründen. Beides gibt den Jugendlichen ein Gefühl der Dazugehörigkeit.

Neue Freunde finden
Ich kann meinen Freundeskreis auf Facebook erweitern, indem ich meine Daten auch den Freunden meiner Freunde zugänglich mache. Ausserdem kriege ich von Facebook regelmäßig weitere Freundschaftsvorschläge. Das sind entweder Freunde von meinen Freunden oder Personen, die Facebook als „interessant“ für mich definiert, da sie dieselben Interessen angegeben haben wie ich oder beispielsweise am selben Ort wohnen etc. Mit einer gut gestalteten Suchfunktion kann ich natürlich auch selber nach diesen Leuten suchen.

Die Welt wird kleiner – Nutzbare Vernetzung mit grosser Gruppe
Durch diese soziale Vernetzung scheint die Welt kleiner zu werden und ich habe über verschiedene Ecken Kontakt zu ganz verschiedenen Leuten. Dies kann unter anderem dann positiv sein, wenn ich zum Beispiel etwas verkaufen will oder umgekehrt auf der Suche nach etwas Bestimmtem bin. Denn Aufrufe oder Nachrichten werden weitergeleitet und landen so zum Teil bei Personen, die ich in der realen Welt vielleicht nicht kenne und somit auch nicht erreicht hätte.

Selbstdarstellung / Identitätssuche; Wer bin ich? Wie will ich mich darstellen? (Entwicklungsaufgabe)
Für Jugendliche, die in einer Phase stecken, in der die eigene Identität und die Frage „wer bin ich eigentlich?“ eine sehr wichtige Rolle spielen, ist Facebook eine spannende Gelegenheit, sich selbst darzustellen, mit der eigenen Identität zu experimentieren und das eigene Profil dem täglichen Empfinden anzupassen. So wird Selbstdarstellung oft in einem Atemzug mit Facebook mit genannt. Dazu kurz ein Zitat, welches wir als sehr treffend bezeichnen:

„Den Drang, sich zu präsentieren, gab es schon vor Facebook: Das Internet ist der Katalysator, aber nicht die Ursache für die virtuelle Selbstdarstellung“

(Von Gehlen, D. (2010, Juli). Selbstdarstellung im Netz. Das Ego geht online, Süddeutsche.de (Datum des Zugriffs: 23.03.12)). Dirk von Gehlen ist Leiter “Social Media/Innovation” bei der Süddeutschen Zeitung

Durch die recht einfache Möglichkeit, ein eigenes Profil zu erstellen und es mit Fotos, Videos und anderen Inhalten zu füllen, kann man sich selbst darstellen und im Netz präsentieren. Ein Profil ist dabei nichts statisches. Im Gegenteil, neue Inhalte und Änderungen machen es attraktiv und laden zum Besuch der Seite ein (Freunde werden automatisch auf Änderungen hingewiesen). Dabei kann der virtuelle «Freundeskreis» als Clique angesehen werden, welche zur Bestätigung der Selbstdarstellung dient.

Communities bieten dadurch die Möglichkeit, sich immer wieder neu zu erfinden. Man bekommt direkt Rückmeldungen zum eigenen Auftreten. Kommentare zu den eigenen Fotos und daraus entstehende Diskussionen können Bestätigung oder Ablehnung mit sich bringen. In jedem Fall ist es hier, aufgrund einer niedrigeren Hemmschwelle leichter, sich selbst zu präsentieren und dafür ein Feedback zu bekommen als im Offline Leben.

In dieses Thema fliesst ebenfalls die Entwicklungsaufgabe: «Übernahme der weiblichen oder männlichen Geschlechtsrolle». Posing-Fotos sind eine sehr verbreitete Form um das eigene Geschlecht hervor zu streichen oder damit herum zu experimentieren. Eine mögliche Gefahr in diesem Bereich liegt darin, dass unangebrachte oder zu extreme Fotos zu Ablehnung und im schlimmsten Fall zu Cybermobbbing führen können. Laut James-Studie ) sind Jugendliche, welche viele Fotos auf Facebook laden, öfter von Cybermobbing betroffen als solche, die kaum Fotos auf Facebook stellen.

Wissen, was die anderen tun (sozialer Vergleich)
Facebook bietet die Möglichkeit des sozialen Vergleichs. Das heisst, dass ich mich über Facebook mit anderen vergleichen kann. Liege ich im Bereich „Freunde“ im Durchschnitt oder haben alle anderen viel mehr Freunde? Wie stellen sich die anderen dar? Etc.

Anonymität
Die Anonymität im Internet ist an dieser Stelle ein spannender Faktor. Das Verhalten im Netz ist oft geprägt von einer sinkenden Hemmschwelle. «Der Benutzer befindet sich meist in einem vertrauten Umfeld, kommuniziert vorwiegend anonym und hat dadurch einen viel größeren Abstand zum Kommunikationspartner. Der Benutzer kann sich viel ungezwungener austauschen. Dies führt unter anderem auch dazu, dass sich sehr viel schneller intimere Gespräche entwickeln können.» (vgl. Artikel Computervermittelte Kommunikation auf Wikipedia) Sicherlich fällt es vielen Jugendlichen im Netz leichter fremde Menschen oder auch das schon lange angehimmelte Mädchen anzusprechen.

Gestaltung eigener Räume / Loslösung, Abgrenzung von Eltern (Entwicklungsaufgabe)
Dass sich Jugendliche ihr persönliches Umfeld selbst gestalten wollen, sieht man nicht zuletzt an Kinder- bzw. Jugendzimmern. Wie in der privaten Wohnumgebung besteht auch im öffentlichen Raum das Bedürfnis Plätze oder Orte für sich bzw. die Clique zu entdecken, diese zu nutzen und auch zu gestalten.

Soziale Netzwerk Seiten bieten nun einen Raum, der von den jeweiligen Akteuren durch das eigene Profil bzw. durch den Zusammenschluss in Freundschaften gestaltet werden kann. Unter (bedenkenswert) wenig Beachtung durch die Erwachsenenwelt und somit wenig sozialer Kontrolle können Jugendliche sich hier ungestört zu den unterschiedlichsten Themen austauschen. Dass es dabei manchmal auch in eine «pädagogisch schwierige» Richtung geht, muss angenommen werden. Die Eltern sind oft nicht auf Facebook oder aber anders unterwegs. Dadurch können sich die Jugendlichen von ihren Eltern abgrenzen.

Wie auch immer sich die Möglichkeiten in der virtuellen Welt weiter entwickeln? Klar ist, Jugendliche werden sich ihre Nischen im Netz suchen um möglichst ungestört von den älteren Generationen ihre Freundschaften zu pflegen und all die grossartigen Möglichkeiten der Neuzeit nutzen!

Der Artikel wurde von Nathalie Bürdel und Lukas Loosli, den Verantwortlichen für den Bereich „Neue Medien“ der Regionalen Offenen Jugendarbeit Täuffelen – Ins – Erlach verfasst.

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