Ein Interview mit Simon Staudenmann, Jugendarbeiter und Referent zum Thema elektronische Spiele.
Simon, du kennst dich mit dem Sandboxspiel Minecraft sowie der Computerspielszene gut aus, erzähl uns bitte von diesem Spiel.
Minecraft ist meiner Meinung nach das innovativste Spiel der letzten Jahre. Die Spielwelt, die bei jedem neuen Spiel wieder neu generiert wird, besteht aus 1m x 1m x 1m grossen Klötzen, die ab- und wieder aufgebaut werden können. Die Oberflächen der Klötze sind mit verschiedenen Texturen überzogen, womit Bäume, Wasser, Gras, Felsen, Wüste, Tiere und noch viele weitere Dinge dargestellt werden.
Welche Möglichkeiten zum Spielen des Spiels stehen dem Spieler zur Verfügung?
Es gibt im normalen Minecraft zwei Spielmodi. Der erste Modus ist zum kreativen Bauen gedacht. Es gibt keine Monster und man kann sich jeden Block aus dem Nichts generieren umso kunstvolle Bauwerke zu schaffen. Im sogenannten Survival-(Überlebens-) Modus können nur die Blöcke wieder aufgebaut werden, die vorher in der Spielwelt abgebaut wurden. Ausserdem muss sich der Spieler mit Nahrung versorgen und diverse Monster machen ihm das Leben schwer. Die meisten Spielenden beschäftigen sich mit diesem Modus.
Minecraft wird immer wieder mit dem Schlagwort „Sandbox-Game“ bedacht, was bedeutet dies?
Sandbox, auf Deutsch Sandkasten, heisst, dass die Spielenden sich ihre Aufgaben selber stellen müssen. Das Spiel selber stellt neben den Blöcken diverse Rezepte bereit, die von den Spielern gebaut werden können. Zum Beispiel wird zum Abbauen von Stein, und wir sprechen hier immer vom Survival-Modus, eine Spitzhacke benötigt. Diese kann in einer Werkbank gebaut werden. Anderes Beispiel: Wie bereits angesprochen, hat der Spieler eine Sättigungsanzeige. Damit er nicht Hunger leiden muss, kann er Tiere schlachten. Wenn er aber jetzt das rohe Fleisch verzehrt, vergiftet er sich. Also muss er sich einen Ofen bauen, Kohle suchen und das Fleisch dann im kohlebeheizten Ofen braten.
Es gibt diverse Erweiterungen zum Spiel, sogenannte Modifikationen. Was hat es damit auf sich und kosten die etwas?
Diese Modifikationen, die allesamt gratis sind, machen den grossen Erfolg des Spiels aus. Minecraft wurde so programmiert das es Fans möglich ist, mit ein wenig Wissen selber neue Blöcke und Rezepte, ja sogar Paralleldimensionen, zu generieren. Spielerinnen und Spieler rund um den Globus haben sich dies zunutze gemacht und teilweise fantastische Erweiterungen programmiert. Es gibt unzählige dieser Modifikationen. Mit diesen ist es zum Beispiel möglich, Minecraft sehr kampflustig zu spielen, grosse automatisierte Fabriken zu bauen oder den Weltraum der Minecraftwelt zu erkunden.
Spielt man Minecraft alleine oder mit mehreren Leuten?
Sowohl als auch. Alleine spielen hat durchaus seinen Reiz, aber auch das Zusammenspielen über das Internet ist sehr spannend. Es ist einfach motivierend, zusammen eine Welt zu gestalten und die schönen Bauten und Errungenschaften anderen Spielenden zeigen zu können. Aus der Sicht der Spielpädagogik, ist das Zusammenspielen etwas sehr Schönes und wichtiges. Dies zählt übrigens keinesfalls nur für Kinder und Jugendliche.
Stichwort Kinder und Jugendliche, wer sind die Spielenden von Minecraft?
Also wenn ich bei mir in der Jugendarbeit nachfrage, kennen viele Jugendliche Minecraft und haben es gespielt oder spielen es immer noch. Erstaunlich ist aber, dass sich auch viele Erwachsene mit diesem Spiel die Zeit vertreiben. Dies spricht für die Komplexität und den Wiederspielwert des Spiels. Und ich betone es nochmals: Es sind diese von Fans programmierten Modifikationen, die dieses Spiel zu einem solchen Phänomen machen.
Der Fall von der Entführung des 12-Jährigen Paul hat vor ein paar Wochen die Medienlandschaft bestimmt. Der Junge hat Minecraft gespielt und ist so in Kontakt mit dem Entführer gekommen. Wie ist Deine Einschätzung?
Nun, eigentlich wissen wir noch nicht genau was passiert ist. Darum kann ich nicht direkt auf den Fall eingehen. Ich kann aber kurz erklären, wie die Szenen der elektronischen Spiele im Internetzeitalter funktionieren.
Zu jedem Spiel, das einigermassen etabliert ist, gibt es unzählige Fanseiten, Youtube-Channels, Chaträume und öffentliche Server. Ich finde es immer wieder befremdend, wenn elektronische Spiele, wie mehrmals in den Medien erwähnt wurde, als Kinderspielzeug abgetan werden. Spiele werden von allen Altersschichten, von Frauen und Männern, von jeglichen Berufsgattungen und aus jeglichen Bildungsschichten gespielt. Dies ist einerseits sehr schön, wenn man bedenkt, dass Personen so miteinander in Kontakt kommen, die sonst nicht miteinander zu tun haben. Andererseits birgt dies auch die Gefahr, mit eher zweifelhaften Individuen in Kontakt zu kommen. Das verhält sich aber hier nicht anders, als wenn man sonst im Netz unterwegs ist. Es sind genau die gleichen Regeln, die zum Tragen kommen. Was wir Erwachsenen, und meiner Beobachtung nach, leider viele Eltern immer wieder vergessen. Wir sind auch hier die Vorbilder und haben uns darum zu kümmern, was unsere Tochter oder unser Sohn im Netz so treibt. Wenn ich lese, dass nach einer Überwachung von Servern geschrien wird, ist das einfach nur lachhaft. Ich möchte gerne wissen, wer die Millionen von Spielservern und noch mehr Fanseiten rund um die Welt alle überwachen soll? Der Ansatz ist anders, wie ich bereits gesagt habe und es an unseren Vorträgen und Workshops immer wieder gerne sage: Vor allem wir Eltern, aber auch Lehrerinnen und Lehrer,
Schulsozialarbeitende und Jugendarbeitende müssen hinschauen, uns informieren und die Spielenden ernst nehmen.
Noch ein abschliessendes Wort zum Thema Minecraft oder Computerspiele im Allgemeinen?
Viel habe ich bereits gesagt. Informationen zu Minecraft oder Spielen im Allgemeinen können ganz einfach über Youtube besorgt werden. Selber mitspielen und herausfinden wo die Motivation der Kinder und Jugendlichen liegt, empfinde ich als elementar.
Simon, Herzlichen Dank für das Gespräch.
Simon Staudenmann ist verheiratet und Vater einer kleinen Tochter, IT-Service Manager, hat den Bachelor der Sozialen Arbeit – Soziokulturelle Animation, ist Jugendarbeiter in Fislisbach, spielt selber seit 30 Jahren Computerspiele und beschäftigt sich seit rund 20 Jahren mit der Computerspielszene und deren Auswirkungen. Er ist ausserdem Referent und Workshop Leiter zur Thematik.
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