Deutsche Praxis-Forschung macht es vor: Wenn sich verschiedene Akteure für die Medienbildung zusammenschliessen, so erreichen sie auch schwer erreichbare Eltern. Insbesondere lokale Organisationen sind wichtig für den Erfolg. 

Von der Ausschreibung bis zum Übersetzer war alles super geplant. Selbst der Elternrat hat einen Flyer verteilen lassen. Jene, die kommen sollten, kamen trotzdem nicht. Wie immer sind nur die ohnehin schon interessierten zur Elterninformation erschienen. Ein Szenario, das wohl viele Jugendarbeitende, Jugendverantwortliche, Schulsozialarbeitende und Behördenmitglieder kennen. Dabei hat die Vorabklärung gezeigt, dass es um ein eminent wichtiges Thema geht.

 

In der Praxis geforscht

Die Stiftung Digitale Chancen hat mit Unterstützung des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugendliche (BMSFJ) das Forschungs-Projekt „Lokale Medienkompetenz-Netzwerke für Familien“ durchgeführt. Es ging darum festzustellen, ob sich die Zusammenarbeit verschiedener, vorwiegend lokaler Organisationen, auswirken. Lassen sich bei Vorhaben zur Elternbildung rund um die Mediennutzung eine verbesserte Wirkung bezüglich Akquise, Zielerreichung und Nachhaltigkeit erreichen? Mit der Evaluation wurden neben konkreten Empfehlungen für die Praxis auch Good-Practice-Beispiele vorgelegt. Gearbeitet wurde mit Netzwerken in Dresden, Betzdorf (Rheinland-Pfalz), Berlin, Schwerin und Hamburg. In diesen haben sich unterschiedliche Akteure der Kinder-, Jugend- und Sozialarbeit zu Projektverbünden zusammengeschlossen. Im Weiteren ging es darum, „schwer erreichbare Familien mit hohem Unterstützungsbedarf für ihre Angebote zu gewinnen“. 2014 wurden die „Handlungsempfehlungen für lokale Netzwerke zur Unterstützung der Medienerziehung in Familien“ herausgegeben.

 

Schwer erreichbare Familien konnten angesprochen werden

Die Handreichung ist gut zu lesen und kann allen empfohlen werden, die Eltern zur Medienbildung ansprechen wollen oder müssen. Unzählige Tipps zur Aktivierung von Eltern sind aufgeführt. Das Heft ist zudem so gut strukturiert, dass es sich locker als Checkliste nutzen lässt. An dieser Stelle seien vier Aspekte zur Zielgruppenerreichung zusammengefasst:

  • Alle Organisationen konnten mehr Personen als üblich ansprechen. Eine längere und koordinierte Zusammenarbeit regionaler oder lokaler Akteure lohnt sich.
  • Nicht wirklich neu, aber einmal mehr bestätigt: Am wirkungsvollsten ist es, wenn die Eltern von einer verantwortlichen Person direkt angesprochen werden.
  • Werden die Veranstaltungen in bekannten und für sie gewohnten Räumen angeboten, so wirkt sich das positiv auf die Zahl der Teilnehmenden aus.
  • Trotz allem geht es nicht ohne eine gewisse Hartnäckigkeit. Nur wer dran bleibt und Veranstaltungen immer wieder durchführt, wird auch schwer erreichbare Personen erreichen.

In den Gesprächen mit den Besuchern hat sich einmal mehr gezeigt, dass es wichtig ist, „auf die konkreten Bedarfe, Anliegen und Probleme der Teilnehmenden einzugehen“ (S. 18). Vorgespräche mit Eltern erhöhen die Chance zur Teilnahme an einer darauffolgenden Veranstaltung.

 

Der Medienerziehung zur Durchsetzung verhelfen

In den Befragungen hat sich zudem gezeigt, dass in den Familien durchaus schon Regeln zur Mediennutzung bestehen. Elternbildung muss also differenziertere Ziele haben. Den Projektverantwortlichen ist folgendes aufgefallen:

  • Meist ist nur die Nutzung des Fernsehers geregelt. Für die Nutzung von Smartphone und Internet gibt es noch wenig Regeln.
  • Die Gefahren und Chancen, die mit Mediennutzung einhergehen, sind speziell in den anvisierten Familien wenig bekannt. Und wenn, so wird eher über die Gefahren gesprochen. Wie wichtig eine kompetente und offensive Mediennutzung für die Zukunft der Kinder sein kann, ist noch nicht ins Bewusstsein der Zielgruppe gelangt.
  • In den meisten Familien „kann es nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden, dass die Medienerziehung in den Familien stark genug verankert ist, so dass, wenn beispielsweise Regeln zur Mediennutzung existieren, diese auch durchgesetzt werden. (S. 18)
  • Auch nicht überraschend: Die Erziehenden sind sich ihrer Vorbildfunktion in aller Regel nicht bewusst. Elternbildung müsste also auch diesen Aspekt besser berücksichtigen.

 

Wir sind gefragt!

Die Jugendarbeit in der deutschsprachigen Schweiz ist an den meisten Orten gut vernetzt. Vielfach liegt es in der Natur der Sache. Schliesslich sind es schon in der Kinder- und Jugendarbeit unterschiedlichste Akteure, die dasselbe Feld beackern. Hinzu kommt, dass den meisten Verantwortlichen schon klar ist: Zusammen geht’s besser. Mit Bezug auf die erwähnten Befunde kann festgehalten werden, dass es wichtig ist, auch die Elternbildung mit dem Ziel einer gelingenden Medienerziehung im Netzwerk zu veranstalten. Vielerorts bestehen schon Kontakte zu Kulturvereinen, zu Projekten wie Femmes Tische oder anderen Akteuren. Gemeinsame Projekte lohnen sich.

 

Kursänderung in der Schweiz?

Die eingangs erwähnten Vorhaben regen über die Grenzen Deutschlands an. So wird auch am 3. Nationalen Fachforum Jugendmedienschutz vom 7.9.2015 über entsprechende Ideen und Initiativen gesprochen. Über allfällige Ergebnisse werden wir an dieser Stelle berichten.

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